Zurück zur Natur am Wolfertsrieder Bach
Abschluss der Renaturierung – Neuer Lebensraum für die Flussperlmuschel und weitere Tiere und Pflanzen
Michael Kramhöller 07.06.2022 | Stand 06.06.2022, 22:07 Uhr
Vorführeffekt: Ausgerechnet bei der offiziellen Eröffnung im Gelände bei Achslach haben die Eröffnungsgäste keine Flussperlmuschel im renaturierten Wolfertsrieder Bach gesehen. −Fotos: Michael Kramhöller
Achslach. Einem kleinen Bach den Raum geben, den er braucht – dieses ökologische Vorhaben ist vorbildlich umgesetzt worden bei der Renaturierung des Wolfertsrieder Baches bei Achslach, die nun nach rund 20-jähriger Dauer abgeschlossen wurde.
Einen Schwerpunkt bildete die Wiederherstellung eines Lebensraumes für die Flussperlmuschel, eine vom Aussterben bedrohte und streng geschützte Tierart, die nur in intakten und sauberen Gewässern überleben kann. Federführend bei der Renaturierung des Baches waren die Naturschutzbehörden des Landkreises Regen und der Regierung von Niederbayern, die zur offiziellen Eröffnung eingeladen hatten.
Um das Vorzeigeprojekt gekümmert haben sich Kerstin Schecher (l.) vom Landratsamt Regen und Laura Öztümer von der Regierung von Niederbayern, die aufzeigten, wie der Plan umgesetzt wurde.
Bei strahlendem Sonnenschein begrüßte Landrätin Rita Röhrl die Gäste, die nach einem viertelstündigen Fußmarsch zum Wolfertsrieder Bach gekommen waren. Sie erinnerte an eine Besichtigung des WUT-Ausschusses des Kreistages vor zwei Jahren, als noch einige Baustellen vorhanden waren. "Aber man konnte schon erkennen, dass hier etwas Einmaliges entstehen wird".
Mit dem Managementplan solle die Natur unterstützt werden, "damit sie sich Dinge zurückholt, die wir alle dringend brauchen". Lob von der Landkreischefin gab es für die Untere Naturschutzbehörde ihres Hauses, die sich in enger Zusammenarbeit mit der Höheren Naturschutzbehörde an der Regierung von Niederbayern mit viel Engagement um dieses wichtige Projekt gekümmert habe.
Ferner dankte Röhrl der Gemeinde Achslach mit Bürgermeisterin Gaby Wittenzellner, die voll hinter dieser Bachrenaturierung gestanden und einen Großteil der benötigten Grundstücksflächen zur Verfügung gestellt hätte, dem Planungsbüro, der Baufirma und nicht zuletzt den anliegenden Grundstückseigentümern. "Die beste Idee bringt nichts, wenn diese keinen interessiert. Für den Wolfertsrieder Bach haben sich viele interessiert und somit ist ein großartiges Projekt entstanden", schloss die Landrätin.
In die gleiche Kerbe schlug Dr. Helmut Graf, der Vizepräsident der Regierung von Niederbayern: "Die Renaturierung ist ein symbolisches Projekt, der Plan ist toll umgesetzt worden." Damit habe man die Grundlage geschaffen zur Wiederherstellung des Lebensraumes für die Flussperlmuschel, eine auf der Roten Liste stehende Tierart. Mit seinen knapp 500 Flussperlmuscheln sei der Wolfertsrieder Bach das drittgrößte Perlmuschelgebiet in Bayern und nehme auch europaweit eine Spitzenstellung ein, ließ Graf wissen.
"Die Renaturierung wurde behutsam und so schonend wie möglich abgewickelt", sagte der Regierungsvizepräsident, der nicht unerwähnt ließ, dass der Grundstein zum Flächenerwerb schon im Rahmen des Flurbereinigungsverfahrens in der Gemeinde Achslach gelegt wurde. Das Ergebnis, eine enorme Lebensraumverbesserung für eine vielfältige Fauna und Flora, könne sich sehen lassen. Die Maßnahme habe der Freistaat Bayern mit knapp 400000 Euro gefördert.
Helmut Graf dankte dem Landkreis für die Übernahme der Trägerschaft und hoffte, dass das Vorzeigeprojekt Wolfertsrieder Bach auch weitere Gemeinden und Landkreise in Niederbayern zu Renaturierungen animiere.
Die Präsentation der Maßnahme, umgesetzt im Rahmen des europäischen Schutzgebietsnetzes Natura 2000, übernahm Kerstin Schecher von der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt Regen, unterstützt von Laura Öztümer von der Regierung von Niederbayern. "Die hohe Wertigkeit des Baches für die Natur ist erkannt worden", betonte Schecher. Bei den unterschiedlichen Maßnahmen seien die Reduzierung der Sedimenteinlagerungen und die Verlangsamung des Wasserflusses im Vordergrund gestanden. Außerdem seien Überschwemmungsbereiche angelegt worden sowie begleitende Gräben, die verhindern sollen, dass Nitrate in den Bach gelangen.
Beginnend an der Straße nach Wolfertsried wurden zwei technische Bauwerke errichtet, die mittlerweile zugewachsen sind, berichtete Kerstin Schecher weiter. Der vorher gerade fließende Bach sei dann auf einer Länge von etwa 700 Metern in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzt worden; die gleiche Renaturierung erfolgte im unteren Bereich auf einer Länge von rund 200 Metern.
Neben der Flussperlmuschel sei jetzt auch ein guter Bestand an Steinkrebsen vorhanden, die teilweise aus Altstrecken umgesetzt wurden. Auch der Biber hat sich angesiedelt, was bei der kleinen Exkursion entlang des Wolfertsrieder Baches nicht zu übersehen war. "Die Aufstauungen halten sich noch im Rahmen. Bei größeren Schäden muss eingegriffen werden, um das Niveau des Baches zu halten", meinte Schecher.
Das Flussperlmuschelprojekt erläuterte Franz Elender vom Landschaftspflegeverband (LPV) Passau. "Das Zusammenspiel zwischen Landschaft und Bach muss passen", bekräftigte er. Die Flussperlmuschel habe nur eine Chance, wenn die Sauerstoffversorgung im Wasser stimmt. Trächtige Muscheln würden an den Kiemen der Bachforellen ihre Larven absetzen, die dann die Fische abstreifen. Die Larven seien aber nur 0,4 Millimeter groß und könnten nur überleben, wenn genügend Nährstoffe im Bach vorhanden sind. "Schon bei einer kleinen Sandeinlagerung stirbt die Muschel ab", verdeutlichte Elender.
Deshalb und auch wegen der Überalterung des Bestandes werde eine "halbnatürliche Nachzucht" der Flussperlmuschel vorgenommen. In einer Fischzucht würden Bachforellen mit Muschellarven beimpft und die fertigen Jungmuscheln einige Jahre großgezogen. "Mit vier, fünf Jahren sind die Tiere etwa einen Zentimeter groß und das Überleben ist gesichert", sagte der Experte.
Mit 20, 30 Jahren seien die Flussperlmuscheln robust und könnten in die Gewässer gesetzt werden. "In ausgewachsenem Zustand kann die Flussperlmuschel bis zu 15 Zentimeter groß und etwa 100 Jahre alt werden", ergänzte Franz Elender seine Ausführungen zum Flussperlmuschel-Schutzprojekt Mara.
"Ich bin schon ein bisschen stolz auf dieses Vorzeigeprojekt in unserer Gemeinde", freute sich Bürgermeisterin Gaby Wittenzellner bei der abschließenden Exkursion im Gelände. Die gezeigten Fotos von den einzelnen Bauphasen verdeutlichten, dass alles sehr schnell zuwächst. Lobende Worte gab es für die Landwirte, die ihre an den Schutzbereich angrenzenden Grundstücke behutsamen bewirtschaften würden. Die Flächen entlang des Baches, insgesamt dürften es rund zwölf Hektar sein, werden größtenteils nur einmal jährlich von Arbeitern des Naturparks Bayerischer Wald gemäht.
Nach dem lehrreichen und interessanten Spaziergang saßen die Gäste noch eine Weile zusammen bei angeregten Gesprächen an den aufgestellten Bänken im Freien und stärkten sich mit erfrischenden Getränken, Häppchen und Kuchen, den die Bürgermeisterin gebacken hatte.